Schon Mitte des 19. Jahrhunderts galt Kant weithin als AutoritÃĪt jeglichen wissenschaftlichen Philosophierens. In einer Zeit, in der die UniversitÃĪtslandschaft in Deutschland durch vielfÃĪltige politische, kulturelle und akademische Transformationen geprÃĪgt war, sollte Kant, so der Neukantianer Otto Liebmann, als eine Art Ordnungsinstanz fungieren. Liebmanns Aufruf "ZurÞck zu Kant" folgte aber nicht etwa eine Vereinheitlichung des Diskurses. Ganz im Gegenteil beriefen sich Autoren der gegensÃĪtzlichsten Positionen auf die kantische Philosophie: Materialisten, Spiritisten, Okkultisten, Monisten, lutherische Theologen, Sozialisten und die in diesem Kontext entstehende "neukantianische" Fachphilosophie. Die Vielfalt der Kantdeutungen im fin de siÃĻcle wird in der heutigen Philosophiegeschichtsschreibung in ihrer ganzen Breite wenig thematisiert. Gerade vor dem Hintergrund dieser Vielfalt entstanden jedoch maÃgebliche Institutionen, die die Kantrezeption bis heute bestimmen: die Kant-Studien, die Kant-Gesellschaft und die Akademie-Ausgabe von Kants Gesammelten Werken. In den BeitrÃĪgen des vorliegenden Bandes werden verschiedene Rezeptionskontexte und Autoren um 1900 vorgestellt.