Der eiserne Gustav (Roman)

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Vielleicht war es das Pferd im Stall gewesen, die Schimmelstute, das Lieblingstier des alten Hackendahl: Es ließ pausenlos die Halfterkette durch den Krippenring rasseln und schlug, sein Futter fordernd, unablässig mit dem Huf gegen das Stallpflaster. Vielleicht aber war es auch die erste fahle Dämmerung gewesen, die mit ihrem grauen Schein das hellere Mondlicht abgelöst hatte - vielleicht hatte der über Berlin grauende Morgen den alten Hackendahl geweckt. Vielleicht aber hatten weder Lieblingstier noch Morgendämmerung Hackendahl so früh wach gemacht, um drei Uhr zwanzig, am 29. Juni 1914 - sondern etwas sehr, sehr anderes ... Mit der Schlafseligkeit kämpfend, hatte der alte Mann gestöhnt: "Erich, Erich, das wirst du doch nicht tun ...!" Dann war er hochgefahren und hatte in das Zimmer gestarrt, ohne noch etwas zu sehen. Langsam war Erkennen in sein Auge getreten; über den geschwungenen Muschelaufsatz des Ehebettes fort, flankiert von den beiden Knäufen rechts und links, sieht er gerade auf die Wand, an der sein Pallasch hängt aus der Zeit, da er noch Wachtmeister bei den Pasewalker Kürassieren war, neben dem Helm, unter dem Bild, das ihn an seinem Entlassungstage aus dem Dienst vor nun zwanzig Jahren zeigt. Er sieht mit wachem Auge im Dämmerlicht den schwachen Schein auf der Klinge und auf dem goldenen Adler des Helms: Diese Erinnerungen machen ihn heute noch stolzer und glücklicher als das große Fuhrgeschäft, das er aufgebaut hat. Das Ansehen, das er beim Regiment genoß, freut ihn mehr als die Achtung, die dem erfolgreichen Geschäftsmann von den Nachbarn in der Frankfurter Allee gezollt wird. Und, unmittelbar an seinen Angsttraum anknüpfend, sagt er, jetzt völlig wach: "Nein, Erich würde so etwas nie tun - nie!" Mit entschlossenem Ruck stellt er die Beine auf den Bettvorleger, ein Heidschnuckenfell. "Stehst du schon auf, Gustav?" fragt es aus dem Nebenbett, und eine Hand tastet nach ihm. "Es ist doch erst drei." "Jawoll, Mutter", antwortet er. "Drei Uhr fünfundzwanzig." "Aber warum denn, Vater? Füttern ist doch erst um vier ..." Er wird fast verlegen. "Mir ist so, Mutter, als könnte was krank sein im Stall ..." Er steckt rasch den Kopf in die Waschschüssel, um weiteren Erklärungen zu entgehen. Aber seine Frau wartet geduldig, bis er sich abgetrocknet hat und nun dabei ist, den aufgewirbelten Schnurrbart mit Pomade, Kamm und Bürste in Form zu bringen. Da sagt sie: "Du hast die ganze Nacht von Erich phantasiert, Vater ..." Der Mann hält mit einem Ruck ...

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Hans Fallada (Rudolf Ditzen) lebte von 1893 bis 1947 und war ein deutscher Schriftsteller.

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