Das Schweigen im Walde (German Language)

· Verlag von Th. Knaur Nachf. Berlin
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Erstes Kapitel

Man hörte noch den Lärm des Dorfes, den Hall verschwommener Stimmen und das Geläut einer Kirchenglocke, die zur sonntäglichen Vesper rief. Dann verschwanden die letzten Häuser hinter Büschen und Bäumen. Entlang dem zerrissenen Ufer eines Wildbaches ging's eine Weile an Bergwiesen und zerstreuten Feldgehölzen vorüber, und sacht begann das schmale Sträßlein zu steigen. Während die Kutsche mit langsamer Fahrt in den von Sonnenglanz umwobenen Hochwald einlenkte, klang vom Dorfe her noch ein letzter Glockenton, als möchte das im Tal versinkende Treiben der Menschen Abschied von dem einsamen Manne nehmen, der sich aus dem Wirbel des Lebens in die abgeschiedene Stille der Berge flüchtete.


Die Straße stieg in immer dichteren Wald hinein. Der klomm zur Rechten gegen die Hochalmen empor, zur Linken senkte er sich in eine Schlucht, aus deren Tiefe sich die Stimme des Wildbaches nur wie leises Murmeln vernehmen ließ. Unter den Bäumen war Stille, als wollte der Wald nach der drückenden Hitze des Julitages  schon lange vor Abend in Schlummer sinken. Man hörte nur den müden Hufschlag und das Räderknirschen im groben Kies der Straße.


Vor die schwerfällige Landkutsche waren zwei Maultiere gespannt. Sie machten dem alten, weißbärtigen Bauernknecht, der sie zu lenken hatte, nur geringe Mühe. Er konnte ab und zu ein kleines Nickerchen erledigen, aus dem ihn das Holpern des Wagens wieder aufrüttelte. Wurde er munter, so versuchte er mit seinem Nachbar auf dem Bocksitz ein Gespräch anzuknüpfen, verstummte aber bald wieder, eingeschüchtert durch das vornehm ablehnende »Ach?« und »So!«, das er sich mit seiner gutmütigen Redseligkeit als einzige Antwort verdiente. Man sah diesem Nachbar den »hochherrschaftlichen Lakai« an der Nasenspitze an, die er trotz einer siebenstündigen Wagenfahrt noch immer in würdevoller Höhe zu erhalten wußte. Er trug einen Reiseanzug aus dunklem Cheviot, dazu ein schwarzes Hütchen, unter dessen schmaler Krempe sich das peinlich frisierte Blondhaar gleich einer polierten Bernsteinschale um den Kopf legte. Ein noch junges Gesicht und hübsch, so daß es hätte gefallen können. Aber in seiner rasierten Glätte und bei dem Bestreben, eine geheimnisvolle Wichtigkeit in den Blick der graublauen Augen zu legen, glich es dem stilvollen Antlitz eines mittelmäßig begabten Schauspielers, der seine beste Rolle außerhalb der Bühne spielt. Es lag auch, neben halber Ehrlichkeit, ein bißchen Komödianterie in der Art, wie der Diener sich nach dem Fond der Kutsche umwandte, als wäre er in Sorge um das Befinden seines jungen Herrn.


»Fühlen sich Durchlaucht von der langen Fahrt nicht sehr ermüdet?«


Der Fürst schien nicht zu hören — wenigstens gab er keine Antwort. Regungslos, den Kopf mit dem grauen Jägerhütchen seitwärts geneigt, lag er in die Lederkissen der Kutsche geschmiegt und ließ die Hände auf der Reisedecke ruhen, die um seine Knie geschlungen war — zwei schlanke Hände, deren durchscheinende Blässe von schwerer, kaum überstandener Krankheit erzählte. So bleich wie die Hände war auch das schmale, strenggeschnittene Gesicht, von dessen Blässe sich das dünne Bärtchen über den herb geschlossenen Lippen und der linde Flaum, der sich um Kinn und Wangen kräuselte, als tiefer Schatten abhob. Der seltsame Widerspruch dieser Züge hatte etwas Fesselndes. Jede Linie so rein gezeichnet wie das Erbteil einer schönen Mutter, das einer Tochter geschenkt sein wollte und sich zu einem Sohn verirrte; und dennoch der Ausdruck eines klar geprägten Willens, in jedem Zug das Merkmal einer fest gefügten männlichen Natur; dazu ein Körper, schlank und sehnig aufgeschossen, dessen jugendliche Kraft durch die überstandene Krankheit nicht gebrochen, nur gebändigt schien und sich auch in der müden Haltung noch verriet, mit welcher der Fürst im Wagen ruhte.


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