Band 2 legt das Fundament für die kritischen Editionen des ersten Bandes. Der Versuch, das kirchenhistorisch zentrale Datum des Polykarpmartyriums zu bestimmen und die Frage nach der Echtheit der Ignatius-Partien in Polykarps Philipperbrief zu klären, macht eine Überprüfung der Textgeschichte beider Martyrien unausweichlich. Es erweisen sich alle kalendarischen Angaben der griechischen Handschriften und die dort mitgeteilten Namen des Asiarchen und Prokonsuls als interpoliert. Durch Vergleich der griechischen, lateinischen, altarmenischen, koptischen und altslavischen Versionen (ggf. einschließlich derer Eusebs) gelingt es, die Interpolationsschichten der Langfassungen beider Martyrien abzutragen und erstmals die ursprünglichen Kurzfassungen wiederzugewinnen. Beide Martyrien waren Bestandteile des von Ps.-Pionius um 400 redigierten Corpus Polycarpianum, ebenso Polykarps Philipperbrief mit der eingeschwärzten Verankerung der Ignatiusbriefe und dem umstrittenen Handlungsrahmen. Auch dieser kann dem Redaktor Ps.-Pionius zugeschrieben werden, der wahrscheinlich um 390/393 dem Ignatiusenkomion des Chrysostomus (nach 386, vor 392) die Acta Ignatii Antiochena mit eingelassenem Römerbrief des ‘Ignatius’ hatte folgen lassen. Die verschiedenen Textschichten spiegeln christliche Verhaltensnormen in Zeiten der Verfolgung (auch im Verhältnis zu den Juden) und beleuchten die Entwicklung von Begriffen wie „großer Sabbat“, „Martyrium“, „katholische Kirche“.
Otto Zwierlein, Universität Bonn.