Mutter Marie

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Im Klubsessel saß der Präsident, im Schaukelstuhl der General. Vor dem mit Bronze eingelegten Tischchen aus buntem Marmor, auf einem der zu ihm passenden Stühle im Empiregeschmack hielt die Generalin sich überaus gerade. Ihr Inneres drohte schlankweg einzubrechen, um so gerader hielt sie sich. Die große blasse Nase wirkte noch schärfer. Wenn der Präsident während seiner unliebsamen Eröffnungen einmal die Nase der Generalin ansah, ward er sogleich zurückhaltender. Schaukelnd und sein einziges Auge gesenkt, hörte der General den Präsidenten an. "Das verkaufte Haus", sagte der Präsident und legte die Stirn so schief, daß unter ihren fleischigen Falten der Blick sich verlor. "Die Schulden, der Sohn ..." Die Generalin wendete den Kopf, als langweilte sie sich. In Wahrheit schätzte sie ihren Salon ab. Er war zusammengestellt aus den Resten des Herrenzimmers, das ihr Gatte angeschafft hatte, zu der Zeit, als er Generaldirektor beim Präsidenten war, und aus der noch übrigen Marmor- und Bronzepracht, die sie selbst einst mitgebracht hatte. Alles Entbehrliche war verkauft - alles, was bisher entbehrlich erschienen war. Der Begriff des Entbehrlichen ward allmählich umfassender, sie wußte es schon. Sah es hier noch nicht arm aus? Sie hörte den Präsidenten laut rechnen. Hinter der Glastür, der sie den Rücken kehrte, ward hörbar der Flügel geöffnet. Zu erwarten war, daß sogleich dort drinnen der Professor präludierte und die Prinzessin sang. Die Generalin benutzte dies, um aufzustehen. In dem fast leeren Musikzimmer saß die Prinzessin, süßlila und gedankenlos, wie immer, auf dem kleinen Sofa aus altem Rohr, die Vergoldung war schon so blaß wie die rosa Seide der Kissen. Die Prinzessin las Noten mit ihren großen, verständnislosen Augen. Ihr alter Lehrer wartete am Flügel geduldig. Die Generalin stellte durch die Glastür fest, daß im Musikzimmer kein Teppich lag. Hier der Salon hatte doch noch seinen matten Perser, das glich viel aus. Auch hatte er in der Mitte den Monumentaltisch - und dann die vier großen Spiegelkonsolen, zwei zu den Seiten der hohen, in Wolkenstores gehüllten Gartentür, zwei drüben in den abgerundeten Ecken. Die Nachbarschaft der anderen Ausgänge, links zum Musik-, rechts zum Eßzimmer, rückwärts auf den Gang, wies nichts mehr auf, dafür kamen um so größere Flächen hellgelber Seide zur Geltung. Die Wandbespannung war nirgends zerrissen, nur hinter dem Klubsofa. Gerade darum mußte es die Wand decken rechts neben der Gartentür, und alle Sitzmöbel ...

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Heinrich Mann lebte von 1871 bis 1950 und war ein deutscher Schriftsteller.

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