Constanze
Kein Roman, sondern eine kurze Erzählung. Dennoch ausreichend, um wachzurütteln. Cover und Titel finde ich hingegen nicht so geeignet; sind sie doch recht eindimensional. Sie handelt von Quin, einem gefeierten Lektor, der sich gern mit Frauen umgibt und so in den Strudel von #MeToo gerät. Und von Margot, die seit über 20 Jahren mit ihm befreundet ist, obwohl er ihr damals unvermittelt zwischen die Beine griff, was sie jedoch rigoros abwehrte. Durch abwechselnde Kapitel wird aus beider Sicht die unterschiedliche Wahrnehmung von Vorkommnissen deutlich. Er, der selbst von seiner Frau als "nicht mal ein Weiberheld“ bezeichnet wird, sondern als "ein anzüglicher, übergriffiger, doppelbödiger Spinner“, legt in Gedanken dar, was ihn dazu bewegt, so mit Frauen umzugehen, wie er es tut. Vielleicht meint er es wirklich so? Vielleicht hat er gar keine Hintergedanken? Oder sind seine verbalen Äußerungen bereits zu viel des Guten? Margot berichtet eher die Fakten. Ist einerseits böse auf ihn, versucht aber gleichzeitig, ihren Freund zu verstehen und die Frauen, die damals seine Gesellschaft genossen und ihn nun zu Fall bringen wollen. Sie sagte damals entschieden "Nein" und ergreift nun in gewisser Weise Partei: "Sie [Frauen] sollten nicht in die Lage gebracht werden, sich wehren zu müssen." Und gegen Ende konstatiert sie - musste ich mehrfach lesen - : "Ich würde das niemals in der Öffentlichkeit sagen. [...] Frauen sind wie Pferde. Sie wollen geführt werden. Sie wollen geführt, aber auch respektiert werden. Du musst dir immer wieder ihren Respekt verdienen. Und sie sind scheißstark. Wenn du sie nicht respektierst, schmeißen sie dich ab und stolzieren auf der Koppel herum, während du am Boden liegst und blutest." Der Schreibstil Gaitskills ist sachlich, fast nüchtern. Auf alle Fälle neutral. Und doch gelingt es der Autorin mit sprachlicher Prägnanz (vielleicht liegt es auch an der Übersetzung), für emotionalen Aufruhr zu sorgen. Man wird zwischen den Parteien hin- und her gerissen. Wer ist im Recht, wer im Unrecht? Lässt sich das überhaupt trennen? Sie wirft Fragen auf, ohne diese konkret zu stellen. Sie gibt ebenso wenig Antworten, sondern überlest deren Findung den Lesern. Wo beginnt ein Übergriff überhaupt? Mit einem Augenzwinkern? Mit nicht einvernehmlichem Sex? Lässt sich das allgemeingültig festlegen? Wer ist Täter, wer Opfer? Gibt es beide Rollen überhaupt? Ist alles schwarz-weiß? Nichts scheint mehr klar. Wir stehen somit bei #MeToo erst am Anfang.