Dass Michelangelo, der universale Meister der Bildenden Kunst, ein Sprachkünstler, einnDichter ist, dessen Größe durch die Jahrhunderte gleichsam im eigenen Schatten, demnseiner bildnerischen Kraft, stand und kaum erkannt, vergessen oder sogar nicht für möglichngehalten wurde ? das gehört den Grotesken der Kulturgeschichte. Noch in den sechzigernJahren des vorigen Jahrhunderts nennt Hugo Friedrich, der große Kenner der italienischennLyrik, Michelangelos Dichtung, die aus hunderten Gedichten besteht, ?ein einsamesnGebilde? und fügt hinzu: ?Einen festen Platz in der italienischen Literatur hat sie sich nienerobern können.? Das hat mancherlei Gründe: dass diese Dichtung vom Dichter selbst alsn?Nebenamt? empfunden wurde und er sich zwar als Künstler, nicht ausdrücklich jedoch alsnDichter fühlte und, mit Friedrich gesprochen, ?an keinen Dichterruhm dachte.? Auch dassner seine Dichtungen nicht ausdrücklich publizierte, obwohl er sie in seinen Kreisen sogarnvorlas und stolz auf sie war, sie zudem Komponisten seiner Zeit wie Arcadelt zur Vertonungnübergab, um sie angenehm zu machen und unter die Leute zu bringen. Erst nach des MeistersnTod veröffentliche ein Verwandter Michelangelos eine Auswahl, durchaus nicht authentisch,nsondern eher dem Zeitgeschmack adäquiert und entstellt. Erst das neunzehnte Jahrhundertnentdeckte den Dichter Michelangelo, es entstanden verbindliche Ausgaben und er kam alsnDichter ins Gespräch, allerdings mehr in Deutschland als im heimatlichen Italien; denn hiernbegann man die Gewalt dieser Poesie zu spüren und sich ihrer Botschaft zu öffnen. Dernwichtigste Grund mag aber in der Poesie des ?Divino? selbst liegen: dass er sich in unerhörternProgressivität mit seiner Poesie von der Tradition, vom poetischen Gestus der Zeit entfernt,nder in der spielerischen Eleganz und Virtuosität Petrarcas und seiner Epigonen stilbildendnwirkt, woran auch Michelangelo sich durchaus orientiert. Hugo Friedrich hat dieses Phänomennmesserscharf auf den Begriff gebracht: ?Sprachkünstlerisch und verstechnisch dem Vorbild unterlegen, bedient Michelangelo sich seiner zur Wortwerdung der eignen Spannungen.?nUnd hier wohnt das Moderne des Dichters Michelangelo: seine Dichtung entfaltet poetischenEigengesetzlichkeit ganz aus sich selber, aus dem Subjekt.nMag sein, dass gerade dafür deutsche Übersetzer und Dichter das besondere Gespürnentwickelten, wofür niemand anderes als Rilke der grandiose Beweis ist. Hier setzt unsernHörbuchprojekt an, das auf einen großen Dichter der Weltliteratur aufmerksam und ihn hörbarnmachen will. Die EDITION I soll eine Animation sein, die mit einer Anthologie in die Mittenvon Michelangelos poetischem Werk greift und ihn unter verschiedenen Aspekten als denn?Dichter der Liebe? im Wechsel von italienischem und deutschem Text in Rilkes meisterhafternÜbertragung zeigt. In den folgenden EDITIONEN sollen weitere Dichtungen in verschiedenstennÜbersetzungen dem Hörer vermittelt, sodann die Fülle der überlieferten Gespräche, dasnenorme Briefwerk wie die Rezeption vorgestellt werden, die ? merkwürdig genug ? ganznwesentlich eine musikalische ist und berühmte Komponistenamen aufweist wie Wolf, Britten,nSchostakowitsch, Reimann, welche den Dichter Michelangelo leidenschaftlich und immernneu, und das bis in unsere Tage, komponiert haben, seine Verse wie auch die Sphären undnWirkungen seiner Bildwerke Musik werden ließen, man denke nur an Franz Liszt.